von Uwe Mauch.
Brigitte Lackstätter ist in ihrem Geschirrshop für ihre Kundschaft öfters die letzte Rettung.
Einen kleinen Gasanzünder für die ältere Dame, eine Flotte Lotte fürs junge Paar aus dem Schlingerhof, eine geschirrspülmaschinen-resistente Knoblauchpresse für eine Mitarbeiterin der Gebietsbetreuung, geschliffene Messer für einen Floridsdorfer Koch. Die Kassa von Brigitte Lackstätter registriert an diesem Freitagvormittag mehrere kleine Beträge. Immerhin wird der Frau an der Kassa in ihrem kleinen Geschirrshop in der Mitte des Schlingermarkts nicht fad. Mit ruhiger Stimme und vor allem nicht ausschweifenden, dafür sehr präzisen Anweisungen lotst sie ihre Kundschaft zu den benötigten Haushaltsartikeln.
Und es ist schier unglaublich, wie viel Geschirr, Besteck, Gläser, Schüsseln, Kochtöpfe bis hin zu Kirschenentkernern und Sieben sie in ihrem nur wenige Quadratmeter kleinen Shop zum Verkauf feilbieten kann. Auch nicht schlecht: Ihre Ruhe gepaart mit der jahrelangen Erfahrung zeichnet die Verkäuferin aus. Ihre Kunden hören auf sie, schenken ihr Vertrauen.
Brigitte Lackstätter, die aus einer Ottakringer Bäckerfamilie stammt, hat in ihren frühen Zwanzigern in eine Wiener Marktfahrerfamilie eingeheiratet. Die Tradition verpflichtet: Ihr Mann und ihr Sohn fahren heute noch täglich mit prall gefüllten Lkws zu Wochen- und Jahrmärkten, ihre Tochter führt das repräsentativere Geschirrgeschäft in der Wiener Innenstadt, und sie selbst ist seit der Übersiedlung vom Meisel- auf den Schlingermarkt vor 25 Jahren ein lebender Beweis dafür, dass auch die Menschen in Floridsdorf mit Messer und Gabel umzugehen wissen.
Apropos Messer: „Wir bieten unseren Kunden auch einen Schleifdienst für Messer, Scheren und Rasenmäher an“, eröffnet die Verkäuferin. Und wer einen kaputten Schnellkochtopf hat, möge den nicht sofort entsorgen. „Auch da können wir helfen.“ Schon stellt sie das Patent ihrer Familie auf die Budel: den „Rührboy“. Diesen preist sie als praktischen Mixer für manuellen Betrieb.
Die Tradition mag etwas Schönes sein, ohne die notwendige Leidenschaft lässt sie sich jedoch nicht am Leben erhalten.
Frau Lackstätter erklärt, während sie wieder einen Schein im unteren zweistelligen Bereich entgegen nimmt: „Ich kann von meiner Arbeit auf dem Markt einigermaßen leben, reich wird man davon aber nicht.“
Täglich fährt sie mit ihrem Auto von Schwechat nach Floridsdorf. Ihren Arbeitsplatz schätzt die Pendlerin mehr als dies die meisten Floridsdorfer können:
„Ich kaufe alles auf dem Markt, zur vollen Zufriedenheit meiner Familie.“
Auch mit den Standlern rundum pflegt sie ein gutes Einvernehmen: „Ich verstehe mich mit den meisten sehr gut.“ Man hat einen gemeinsamen Konkurrenten, die Supermärkte, die den klassischen Märkten Konkurrenz machen.
Zu schaffen macht ihr aber auch die zunehmende Ungeduld einer rastlosen Gesellschaft: „Manchen Kunden fehlt da die Wertschätzung gegenüber uns Verkäufern.“
Insgesamt überwiegen aber die schönen Momente. Und wieder sagt eine Kundschaft diesen einen ständig wiederkehrenden Satz: „Sie sind meine letzte Rettung.“ Frau Lackstätter lächelt, wissend. Sie denkt sich und hat das dezent auf einen Aushang mit ihrer Hand geschrieben:
„Ich wünsche mir, dass ich Ihre erste Rettung sein darf.“